Nachbericht Trialog vom 15. Juni 2021: „Schwarze Pädagogik“ (Spät-) Folgen der Unterbringung in Heimen für die Psyche

Das Thema dieses Online Trialogs war länger im Themenspeicher vorhanden. In einem Trialog erzählte ein Psychiatrie- Erfahrener von seinen schlechten Erfahrungen während seiner Zeit in einem Jugendheim und den Einfluss auf sein späteres Leben. Tatsächlich landeten noch in den siebziger und achtziger Jahren BewohnerInnen von Jugend und Behinderteneinrichtungen als asylierte PatientInnen auf psychiatrischen Stationen. Zum einen in Ermangelung anderer Möglichkeiten aber auch als Folge der schlechten Behandlung. In den letzten 15 Jahren wurden viele Entschädigungsverfahren dazu geführt. Opfer können bei der Volksanwaltschaft oder dem Weißen Ring Informationen dazu erhalten. Unterschiede gibt es abhängig davon bei welchem Träger man untergebracht war. (Katholisch/ Protestantisch/ Bundesland) Oft wird in diesem Zusammenhang von „Schwarzer Pädagogik“ gesprochen. Ein eigener Bereich stellt das Militär dar, dort ging es immer darum, Soldaten heranzuziehen, die Befehlen umgehend gehorchen und ihre Tötungshemmung verloren haben. 

Zuerst ging es im Trialog darum, was darunter zu verstehen ist. Es geht um Pädagogik, also Erziehung. Sie findet im Privaten durch Eltern und öffentlich durch Schule und Ausbildung statt. Unter „schwarz“ wird die Anwendung struktureller Gewalt zur Absicherung des Machtgefüges verstanden. Wenige kontrollieren Viele. Recht und Ordnung als Begründung und die Angst vor Revolution und Anarchie. Auch die Ansicht zu wissen was gut ist, für jene die es nicht wissen können. Dies betrifft auch den Gesundheits- und Pflegebereich. Wie funktioniert schwarze Pädagogik? Zentral ist das Mittel der Strafe für Fehlverhalten. Es folgt die Angst vor Bestrafung und die Scham darüber, bestraft worden zu sein. Anerkennung, Gleichberechtigung oder Teilhabe sind nicht vorgesehen. Fragen werden mit „Das war schon immer so“ oder einer höheren Ordnung „Das ist gottgewollt“ abgewiegelt. Die Folge sind oft psychische Verletzungen und Menschen als Opfer, die nicht mehr in der Lage sind sich zu wehren oder ihre Lage zu reflektieren. Subtile Formen sind Liebesentzug, Nicht-Beachten und Nicht-Ernstnehmen seines Gegenübers. Insofern kann immer nur lieb und nett behandelt zu werden, auch ein Zeichen von nicht ernstgenommen zu werden, sein. Es fiel auch der Begriff „toxisches Umfeld“. Toxine also Gifte wirken langsam, sickern in den Boden, kontaminieren diesen auf Generationen. Auch wenn körperliche Bestrafung längst verboten ist wirkt unsere Erziehung lange nach. Wer kennt nicht die Kinderbücher „Struwwelpeter“ und „Max und Moritz“, eigentlich Klassiker der schwarzen Pädagogik. Viele von uns haben diese als Kinder noch zu lesen bekommen, sind von Lehrpersonal unterrichtet worden, die sich noch an den Rohrstock erinnern können. Gift wirkt lange nach! Heute erziehen wir Kinder, unterrichten oder betreuen Alte, Kranke oder Menschen mit Einschränkungen.

Worauf muss geachtet und was vermieden werden? Im institutionellen Bereich sind Leitbilder, Qualitätsrichtlinien, Einbeziehung von Betroffenen und externe Überprüfung sowie Teamsupervisionen ein probates Mittel. Im persönlichen Bereich ist Empathie, zu wissen wie sich etwas anfühlt, sehr wichtig. Man muss sich bewusst machen: das eigene Verhalten hat Einfluss auf die Zukunft der Anderen – und verantwortungsvoll handeln. Versuchen, Talente und kreativen Eigensinn zu sehen und nicht als unerwünschtes Verhalten und falsch zu bewerten. Natürlich bedeutet dies nicht, sich alles gefallen zu lassen, sondern sich auch wenn nötig zu wehren und Grenzen zu ziehen. Und wie soll im Privaten, den eigenen Beziehungen, wenn sich Ohnmacht, Frust und Enttäuschung breitmachen, gehandelt werden? Hat man sich nicht vorgenommen niemals so wie die eigenen Eltern zu werden? Obwohl man sie nun versteht, kann man sich bewusst entscheiden, nicht so zu werden. Im Trialog wurde viel über Gewalt und Aggression gesprochen.

Gewalt und Druck als Mittel sich durchzusetzen wird immer noch gesellschaftlich toleriert. Im Kino und Hautabendprogramm wird zwar weniger geraucht und nackte Haut gezeigt, dafür wird im Schnitt aber mehr getötet. Bei Debatten zählt oft nicht mehr die Argumentation sondern die Lautstärke, entweder man ist für etwas oder dagegen. Ein Konsens wird nicht angestrebt und andere Meinungen heruntergemacht. Welchen Einfluss hat das auf die psychosoziale Versorgung? Ist hier eine Veränderung merkbar?